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Der synodale Weg führt uns in die Zukunft der Kirche

Foto: Fabienne Bühler

Neben viel Engagement erreichen uns auch kritische Fragen zum synodalen Prozess: Bringen die Mitwirkung und weiteres Reden überhaupt etwas? Müsste nicht endlich gehandelt werden? Bischof Felix Gmür antwortet auf ein solches Schreiben öffentlich. 

Sehr geehrter Herr Meier

Für Ihren engagierten und sehr aufrichtigen Brief vom 17. Oktober 2021, dem Starttag des synodalen Prozesses, danke ich Ihnen. Ganz besonders danke ich Ihnen für Ihre jahrelange Mitarbeit «in den verschiedensten Funktionen in der Kirche», wie Sie schreiben, und für Ihre offenbar ebenfalls vielfältigen Engagements in Gesellschaft und Politik.

Ich kann Ihre Enttäuschung über viele Entwicklungen in unserer Kirche in den letzten Jahrzehnten und damit auch Ihre Bedenken gegenüber dem synodalen Prozess nachvollziehen. Ähnliche Rückmeldungen erreichen uns derzeit – neben viel Engagement für den Prozess – regelmässig. Deshalb danke ich Ihnen auch für Ihr Einverständnis, dass ich Ihnen stellvertretend für jene, die ähnlich empfinden wie Sie, in einem offenen Brief antworten darf.

«Genug geredet, endlich handeln» – das ungefähr schlagen Sie vor, und Sie vermuten, dass tiefgreifende Reformen nur von unten, aber im Einklang einiger Bischöfe möglich wären.

Für mich gehören Reden und Handeln in unserer Kirche gerade jetzt eng zusammen. Noch nie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der synodalen Phase danach wurde offener über alle grossen, ungelösten Fragen geredet als heute – auch in Bischofskonferenzen, in der römischen Kurie und an verschiedenen Orten weltweit. In viele Themen ist, besonders durch Initiativen von Papst Franziskus, neue Dynamik gekommen. Dieses offene Gespräch ist für mich ein Hoffnungszeichen. Das gute eucharistische Grundprinzip unserer Kirche, dass nur das, was auf den Tisch kommt, verwandelt werden kann, gilt auch hier.

Ich verstehe Ihre Ungeduld, die aus einem lebenslangen Einsatz für Reformen in unserer Kirche resultiert, die sich eine grosse Mehrheit der Menschen in unserem und vielen anderen Bistümern schon sehr lange wünschen. Auch ich habe mir in manchen Fragen schon früher grössere Offenheit gewünscht. Wie Sie wissen, bemühen wir uns in unserem Bistum schon seit Jahrzehnten um zukunftsfähige pastorale Wege. Dabei merken wir, dass neue Lösungen gut bedacht sein wollen und viel Zeit brauchen, und zwar «von unten» wie «von oben».

lm jetzt begonnenen synodalen Prozess des Aufeinander-Hörens und des freimütigen Austausches sehe ich – mit Papst Franziskus – den Königsweg unserer Kirche. Auch die Verantwortlichen in der römischen Kurie sind sich sehr bewusst, dass es nicht bei freundlichem Gespräch, aber letztlich leeren Worten bleiben darf. So heisst es z.B. im Vorbereitungsdokument: «Wenn der Stil der Synodalität nämlich nicht in Strukturen und Prozesse umgesetzt wird, fällt er leicht von der Ebene der Absichten und der Wünsche auf die Ebene der Rhetorik herab, während Prozesse und Ereignisse, wenn sie nicht durch einen entsprechenden Stil belebt werden, zu leeren Formalitäten werden». (Nr. 29)

Deshalb vertraue ich darauf, dass wir in den bei uns schon lange diskutierten Fragen auch auf weltkirchlicher Ebene wichtige Schritte weiterkommen. Vorwegnehmen kann das Ergebnis aber niemand. Auch zu Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils wusste niemand, welche Erwartungen übertroffen, welche Hoffnungen enttäuscht und welche Ängste auf dem Weg überwunden werden könnten. Am Ende stand eine grundlegende Erneuerung in Stil, Theologie und Strukturen unserer Kirche, von der wir noch heute zehren.

Einen weiteren Aspekt gebe ich zu bedenken. Auch wenn wir beim synodalen Prozess heute zunächst an die bekannten ungelösten Fragen und Probleme unserer Kirche denken, so handelt es sich dabei letztlich doch um innerkirchliche Diskussionen. Diese Diskussionen – und Entscheidungen! – sind gewiss wichtig und überfällig. Doch der synodale Prozess geht darüber hinaus. So notwendig die Struktur-, Ämter- und Machtdiskussionen in unserer Kirche sind, so sehr binden sie auch Energie, die wir eigentlich für den Weg unserer Kirche in der Welt brauchen: für unser Mitgehen mit Menschen am Rand, in Not und auf der Flucht, für die Pflege von Orten der Begegnung untereinander und mit Gott im Wort der Heiligen Schrift und in den Sakramenten und zur Gestaltung von Gemeinschaften, in der sich wirklich alle eingeladen fühlen und ihre gottgeschenkte Würde erfahren.

Dieser Weg unserer Kirche in der Welt ist das eigentliche Anliegen des synodalen Prozesses. Es liegt auch an uns, beides nicht gegeneinander auszuspielen. Nur wenn wir im Inneren, als Kirche mit unserem Selbstverständnis, unserer Theologie, unseren Strukturen, Ämtern und unserem Umgang mit Macht transparent und überzeugend sind, können wir überhaupt glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen des Evangeliums für andere Menschen sein.

Mit der gegenwärtigen diözesanen Phase verbinde ich deshalb die Hoffnung, dass unser Bistum eine Belebung und Erneuerung im Hören auf den Heiligen Geist erlebt und wir unsere Berufung und Sendung neu entdecken. Aus Gruppen, die sich bereits treffen, höre ich, dass die Dialogfragen tatsächlich dazu führen können, dass Menschen über die grossen Fragen ihres Lebens, ihres Glaubens und unserer Kirche miteinander ins Gespräch kommen. Der synodale Prozess ermöglicht Glaubensgespräche, die die Strukturfragen nicht ausklammern und trotzdem den Weg der Kirche in der Welt im Blick haben. Deshalb hoffe ich darauf, dass sich möglichst viele Menschen daran beteiligen. Mit diesen Eingaben werden wir dann in der synodalen Versammlung in Basel im Januar 2022 weiterarbeiten. So werden wir uns einerseits in den weiteren, weltweiten synodalen Prozess einbringen, andererseits aber auch neue Wege für unser Bistum suchen.

Viele Menschen haben es mit ihrem Engagement in den letzten Jahrzehnten möglich gemacht, dass wir heute auf diesen Weg gehen. Ich bin überzeugt, dass der synodale Prozess unser Bistum und unsere Kirche weiterbringen wird.


Mit freundlichen Grüssen

+Felix Gmür, Bischof von Basel
 

Schreiben von Peter Meier

P. Meier, 17. Oktober 2021 (Abschrift, Veröffentlichung genehmigt)

 

Halbzeit!

Vor drei Wochen hat der synodale Prozess in den deutschsprachigen Bistümern Basel, Chur und St. Gallen via Online-Umfrage begonnen. Noch weitere drei Wochen können sich alle Interessierten über «Wir sind ganz Ohr» zu den Themen Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung für eine synodale Kirche äussern und sich am synodalen Prozess selber aktiv beteiligen. Der Halbzeitbericht gibt für die verbleibenden drei Wochen der Austausch- und Befragungsphase Schub.

Machen auch Sie mit und seien Sie ganz Ohr für die Stimmen ihrer Mitmenschen!