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Pilotprojekt zu Missbrauch in der Kirche gestartet

Foto: Maksym Kaharlytskyi auf Unsplash

Die katholische Kirche der Schweiz stellt sich mit einem Pilotprojekt einem dunklen Kapitel: In ihrem Auftrag hat ein Forschungsteam der Universität Zürich mit der wissenschaftlichen Untersuchung der sexuellen Übergriffe im Umfeld der katholischen Kirche begonnen. Dafür sollen in den kommenden Monaten auch die bischöflichen Geheimarchive geöffnet werden.

Medienmitteilung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und der Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens (KOVOS) 

Während sehr langer Zeit haben sexuelle Übergriffe durch Seelsorgende und Ordensangehörige der römisch-katholischen Kirche grosses Leid verursacht. Viele Taten wurden vertuscht und die Opfer ignoriert. Bischof Joseph Maria Bonnemain anerkennt: «Es ist nur redlich, die Verbrechen der Vergangenheit aufzudecken. Die Aufarbeitung ist in erster Linie den Betroffenen geschuldet.»

Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und die Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens (KOVOS) sind überzeugt, dass eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung der eigenen Vergangenheit unumgänglich ist. Dazu haben sie den beiden Professorinnen Monika Dommann und Marietta Meier des Historischen Seminars der Universität Zürich den Auftrag für ein Pilotprojekt erteilt.

Innerhalb eines Jahres soll das Forschungsteam die Rahmenbedingungen einer historischen Untersuchung sexueller Ausbeutung im kirchlichen Umfeld seit der Mitte des 20. Jahrhunderts evaluieren und damit Grundlagen für künftige Forschungsprojekte bereitstellen. Die Forschenden sollen dafür unter anderem ungehinderten Zugang zu den Akten in den Geheimarchiven der Bistümer erhalten. Um die Unabhängigkeit des Pilotprojekts zu gewährleisten, haben die Auftraggeberinnen vertraglich zugesichert, weder inhaltlich noch organisatorisch darauf Einfluss zu nehmen. Ein von der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte (SGG) ernannter wissenschaftlicher Beirat berät und unterstützt das Forschungsteam der Universität Zürich. Präsidiert wird der Beirat von PD Dr. Sandro Guzzi-Heeb.

Die SBK, die RKZ und die KOVOS haben gemäss Abt Peter von Sury einen langen Weg hinter sich: «Zum ersten Mal sprechen die drei bedeutendsten Institutionen der römisch-katholischen Kirche der Schweiz mit einer Stimme zu den Missbrauchsfällen. Wir drei Auftraggeberinnen haben einen wichtigen Lernprozess durchgemacht, der nicht abgeschlossen ist.» Die Auftraggeberinnen sind überzeugt, dass die Kirche noch stärker zu einer lernenden Organisation werden muss, die bereit ist, eigene Fehler einzugestehen und Strukturen zu verändern, die Verbrechen und deren Vertuschung ermöglicht oder begünstigt haben. «Als zivilrechtliche Arbeitgeberinnen der Priester und kirchlichen Mitarbeitenden stehen auch die Kirchgemeinden und kantonalkirchlichen Organisationen in der Verantwortung. In ihrem Auftrag trägt die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz das Pilotprojekt mit», betont Renata Asal-Steger, Präsidentin der RKZ: «Den Worten der Betroffenheit müssen Taten folgen. Dank unabhängiger Forschung und ohne Rücksicht auf die eigene Reputation soll Licht ins Dunkel gebracht werden. Unerlässlich sind zudem strukturelle Reformen, damit Macht in der Kirche geteilt und ihrem Missbrauch Einhalt geboten wird.»

Um wissenschaftliche Unabhängigkeit und ungestörte Forschungsarbeit zu garantieren, wird die Öffentlichkeit erst wieder informiert, wenn die Ergebnisse vorliegen. Anhand der Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt werden die Auftraggeberinnen über die nächsten Schritte entscheiden. Für sie ist aber jetzt schon klar: «Das Thema wird uns nicht mehr loslassen. Die Untersuchung und Aufdeckung der Vergangenheit sind erst der Anfang. Aufarbeitung und vor allem Prävention werden weitergehen. Die kirchlichen Strukturen, die Entscheidungswege und die Aufteilung der Zuständigkeiten müssen neu geregelt werden, damit sexueller Missbrauch wirksam verhindert werden kann», wie Bischof Bonnemain unterstreicht.

Weitere Informationen

Für die SBK: Bischof Joseph Bonnemain sowie Stefan Loppacher, Co-Leiter des Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Schweizer Bischofskonferenz, stefan.loppacher[at]fgsbk.ch, 079 301 58 67
Für die RKZ: Daniel Kosch, Generalsekretär, daniel.kosch[at]rkz.ch, 079 314 44 74
Für die KOVOS: Abt Peter von Sury OSB, Delegierter, pilotprojekt[at]kovos.ch, 079 565 14 89

Bilder, Auftraggeberinnen, Zahlen und Massnahmen: www.missbrauch-kath-info.ch
Forschungsarbeiten: www.missbrauchkirchlichesumfeld.ch

Die Auftraggeberinnen

Schweizer Bischofskonferenz (SBK)

Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) ist das Koordinationsorgan der römisch-katholischen Bistümer der Schweiz und umfasst derzeit 9 Mitglieder: die Bischöfe der sechs Bistümer der Schweiz, deren Weihbischöfe sowie die beiden Äbte der Territorialabteien St-Maurice und Einsiedeln.
www.bischoefe.ch

Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ

Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) ist der Zusammenschluss der kantonalkirchlichen Organisationen. Sie besteht seit 1971 und ist als Verein organisiert. Sie trägt massgeblich dazu bei, dass die katholische Kirche ihre Aufgaben auf gesamtschweizerischer Ebene wahrnehmen kann, und setzt sich für demokratisches, solidarisches und unternehmerisches Handeln ein, das den Bedürfnissen des kirchlichen Lebens vor Ort Rechnung trägt.
www.rkz.ch

Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens in der Schweiz (KOVOS)

Die KOVOS (Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens in der Schweiz) will der Pluralität des gottgeweihten Lebens in der Schweiz in der Öffentlichkeit und innerhalb der Kirche ein Gesicht und eine Stimme geben. Dazu nutzt sie die sozialen Kommunikationsmittel und gezielte Veranstaltungen. Die KOVOS ist ein privatrechtlicher Verein mit Sitz in Fribourg.
www.kovos.ch